DIE EINZELKINDER

WOVON CHINAS NEUE GENERATION TRÄUMT

Alec Ash     Hanser Berlin  2016    347 Seiten     € 24,- (D)     ISBN  978-3-446-25292-9

 

                                                                                                                                                                                                                                          Foto: Shopping in Beijing

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Mehr als 300 Millionen Chinesinnen und Chinesen  sind heute zwischen 16 und 30 Jahre alt. Sechs von ihnen, zwei Frauen und vier Männer, stellt Alec Ash seinen Lesern vor, durchaus mit der Absicht, nicht nur von China, sondern auch ganz allgemein vom Jungsein zu erzählen. Er will aufzeigen, wie es sich anfühlt, gegenwärtig in China erwachsen zu werden. Und wie diese kaum überschaubare Generation ihre Zukunft plant.

Da ist etwa Fred, die Tochter eines Provinzkaders. Geboren auf der Insel Hainan, deren Banyan-Bäume sie besonders liebt. Sie studiert an einer Pekinger Eliteuniversität. Ihre Karriere scheint vorgegeben. Was sie allerdings erlebt und beobachtet, weckt in ihr Zweifel an dem, woran ihre Eltern glauben – und sie doch eigentlich auch. Li Yan alias Lucifer will Rockstar werden. Er  hangelt sich von einem kleinen Gig zum nächsten, nimmt an Talentshows teil und wartet auf den großen Durchbruch – wird er ihm gelingen?   Xiaoxiaos Klamottenladen floppt, und obendrein machen ihre Eltern Druck, denn sie geht schon auf die Dreißig zu und hat noch immer keinen Mann!

In den großartig erzählten und zum Teil miteinander verwobenen Portraits fängt Alec Ash das Lebensgefühl jener Generation junger Chinesen ein, die in den Boomjahren nach Deng Xiaopings Reformen geboren wurden, die nicht die Entbehrungen und den Terror der Mao-Jahre kennengelernt haben. Die erst Kinder waren, als 1989 Panzer durch Beijing rollten, um die studentischen Demonstrationen auf dem Platz des himmlischen Friedens blutig zu beenden. Sie hegen ganz unterschiedliche Träume und ringen doch alle um ihren Platz in einer Gesellschaft, die von rasantem Wandel und enormem Konkurrenzkampf geprägt ist. Eindrücklich vermittelt der Autor, wie diese Generation lebt, die nicht nur ihr eigenes Land prägen und verändern wird.

Neben der Flut von Büchern über Chinas Wachstum seit den 1980er Jahren, die sich überwiegend mit den politischen und vor allem den wirtschaftlichen Entwicklungen des Landes beschäftigen, hat sich in der jüngeren Vergangenheit ein nennenswertes Eckchen Literatur entwickelt, das sich mehr mit den Individuen, deren Wünschen an das Leben und dem, was sie davon realisieren können, beschäftigt. Ash hat genau hingesehen und bietet viel Stoff zum Nachdenken. Er verzichtet weitgehend auf Allgemeinplätze und hofft, „dass einzelne Punkte ein Bild formen können, und sechs Noten eine Melodie“.

Und auch in Zukunft werden am chinesischen Neujahrsfest die Blicke unzähliger Menschen den Wunschlaternen folgen, die sie im Dunkel der Nacht der Strömung eines Flusses anvertraut haben,  bis ihr Licht in der Ferne zu erlöschen scheint…

 

 

 


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