Mittagsstunde
Über den Verlust von Heimat: Geiht de Welt ünner ?
„Altes Land“, ihr Debütroman, war geradezu eine Sensation. Entsprechnd gespannt wartete die große Schar der Leser auf Dörte Hansens zweiten Roman, den sie nun, drei Jahre später, folgen läßt. Brinkebüll, ein beinahe real existierendes Geestdorf in Nordfriesland, bildet den Mittelpunkt ihrer Erzählung. Hier kennt sie sich aus, in einem solchen Dorf ist sie aufgewachsen. Ein norddeutscher Heimatroman also? Schon, aber ebenso hätte auch das Leben der Menschen in anderen ländlichen Gegenden Deutschlands, der Schweiz, Frankreichs oder der Niederlande so oder so ähnlich erzählt werden können.
Das Dorf mit seinen Bewohnern ist der Mikrokosmos, den Dörte Hansen in allen Details unter ihre Lupe nimmt. In den 1960er Jahren noch gab es die Dorfgemeinschaft, in der jeder jeden kannte und jeder seinen Platz hatte. Dann, mit der Flurbereinigung in den Sechzigern und Siebzigern, mit der die moderne Landwirtschaft Einzug hält, verschwindet mit den kleinen Höfen das bäuerliche Dorfleben und mit ihm auch „die Mittagsstunde“, die allen heilig war.
Dörte Hansens Schilderungen der skurilen Dorfbewohner in ihrer kargen und wenig abwechslungsreichen Umgebung machen es dem Leser leicht, sich in ihre Geschicke zu versetzen. Der Gastwirt und Kleinbauer Sönke Feddersen, seine irgendwann debile Frau, ihre Tochter Merret, die ihr im ursprünglichen Sinne leicht „verrücktes“ Leben lebt, der Dorflehrer Steensen, Dora Koopmann, die Ladenbesitzerin, der Junggeselle Hanno Thomsen, der stets der Letzte im Gasthaus ist: All diese Menschen mit ihren Eigenheiten sind tief mit ihrer Heimat verwoben. Sie selbst sind ihre Heimat. Die Welt geht nicht unter. wird aber zunehmend ärmer.
Diesen Roman zu lesen ist eine Freude.
Penguin Verlag , München, Oktober 2018, 320 Seiten, 22,00 € (D)
ISBN: 978-3-328-60003-9
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